Wenn die Wurzelkanalbehandlung nötig wird
Eine Wurzelkanalbehandlung (von Patienten oft Wurzelbehandlung genannt) ist notwendig, wenn sich die Zahnpulpa (=Zahnmark) entzündet hat oder bereits abgestorben ist. Gut vaskualisiertes (durchblutetes) und innerviertes (mit Nerven versorgtes) Bindegewebe sind die Bestandteile der Pulpa. Die Reinigung des Wurzelkanalsystems mit anschließender Wurzelfüllung wird im Fachjargon endodontische Behandlung genannt.
Ist der Zahnnerv entzündet, spricht man von einer Pulpitis, eine häufige Ursache für Zahnschmerzen. Das Leitsymptom ist die Kälteempfindlichkeit. Entspricht die Schmerzdauer der Reizdauer ist von einem reversiblen Geschehen auszugehen. Überdauert die Kälte- und sogar Wärmeempfindlichkeit den auslösenden Reiz, lautet die Verdachtsdiagnose eventuell irreversible Pulpitis. In solchen Fällen wird Wärme häufig zusätzlich als schmerzauslösend, hingegen Kälte als schmerzlindernd, wahrgenommen. Aber auch ein bereits abgestorbener oder teilweise abgestorbener Zahn kann schmerzen. Bakterien aus dem infizierten Wurzelkanalsystem unterhalten eine Entzündung an der Wurzelspitze im Kieferknochen. Hier berichten die Patienten meist von einer deutlich erhöhten Aufbiss- und Perkussionsempfindlichkeit. Oft wird der Schmerz als dumpf und pulssynchron pochend beschrieben. Temperaturempfindlichkeiten weisen abgestorbene Zähne meist nicht mehr auf. Klopft der Zahnarzt jedoch auf den betroffenen Zahn springen die Patienten förmlich „an die Decke“. Bei einem eher diffusen noch nicht so ausgeprägten Schmerz ist es oft nicht einfach den schuldigen Zahn zu finden. Es besteht immer die Möglichkeit, dass Nachbarstrukturen wie beispielsweise die Kieferhöhle Zahnschmerzen verursachen. Beispielsweise kann eine Kieferhöhlenentzündung Zahnschmerzen im Oberkiefer Seitenzahnbereich verursachen.
Patienten sind durch akute Erkrankungen des Wurzelkanalsystems sehr beeinträchtigt. Schmerztabletten sind in der Regel notwendig, auch, wenn sie nur vorübergehend wirken. Der Zahnarzt, eventuell sogar der Notdienst, muss so schnell wie möglich aufgesucht werden.
Wichtig zu wissen: ein Nerv kann auch absterben ohne, dass der betroffene Patient etwas davon merkt. Auf Röntgenbildern, meist dann als Zufallsbefund, kann der Zahnarzt nun die Diagnose Pulpanekrose (abgestorbener Zahnnerv) anhand von Osteolyseprozessen an der Wurzelspitze (Wurzelspitzenentzündung) stellen und die unbedingt notwendige Wurzelkanalbehandlung einleiten.
Warum tut es weh?
Entzündetes Gewebe möchte sich generell ausbreiten. Dies kann es aber im Wurzelkanal nicht, da es von der Zahnhartsubstanz umgeben ist. Somit sucht sich die Entzündung den Weg über das Foramen apicale in den Knochen. Das Foramen apicale ist die Verbindung zwischen Zahn und Knochen in dem Nerven und Blutgefäße in den Knochen einströmen. Erreicht die Entzündung den Kieferknochen spricht man von einer Wurzelspitzenentzündung. Aus dem Zahnschmerz wird ein Kieferschmerz. Dies sieht auf einem Röntgenbild aus, als hätte ein Zahn einen „Heiligenschein“ (siehe Röntgenbild unten).
In der Regel kommt es zu einer Wurzelkanalbehandlung, wenn Bakterien den Nerv erreichen und infizieren. Karies ist die häufigste Ursache. Aber auch freiliegende Dentinkanälchen, z.B. bei freiliegenden Zahnhälsen, können theoretisch zu einer bakteriellen Infektion der Pulpa führen. Ein Zahntrauma kann ebenfalls eine Wurzelkanalbehandlung nach sich ziehen. Häufig sind hiervon Kinder und Jugendliche betroffen, die einen Schlag auf einen Ihrer Zähne bekommen. So können Bakterien möglicherweise bis in das Pulpenkavum eindringen und eine Pulptitis auslösen. Bei einem zu großen Stoß kann der Zahn aber auch sehr weit aus seiner natürlichen Achse ausgelenkt werden. Die Fasern an der Wurzelspitze reißen und der Zahn stirbt ab. Das zeitnahe Einleiten einer Wurzelkanalbehandlung ist maßgeblich für die Langzeitprognose eines solchen Zahnes. Das Beschleifen der Zähne ohne Wasserkühlung beim Zahnarzt kann ebenfalls zum Absterben des Zahnnervs führen. Zähne sind sehr sensibel gegen Temperaturerhöhung. Man spricht von einem Präparationstrauma, wenn ein Zahn nach dem Beschleifen schmerzhaft reagiert.
Gibt es Alternativen zur Wurzelkanalbehandlung?
Leider nein. Die Wurzelkanalbehandlung (endodontische Behandlung) stellte die einzige Möglichkeit dar, einen Zahn, dessen Nerv irreversibel entzündet oder bereits abgestorben ist, zu retten. Aber auch, wenn die Karies bis zum Zahnnerv reicht, kann eine adäquat durchgeführt Wurzelkanalbehandlung zur Rettung des Zahnes führen. Die Wurzelkanalbehandlung ist daher eher Segen als Fluch. Die einzige Alternative zur Wurzelbehandlung stellt die Extraktion (Entfernen des Zahns) dar. Dies bedeutet, dass der Zahn gezogen werden muss und die Lücke mit einer Brücke, einem Implantat oder einer Prothese geschlossen wird.
Es muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass Hausmittel und Homöopathie in diesem Fall nicht die Ursache beseitigen können. Sie sind aber zur Wundheilung, Ausleitung und Schmerzlinderung nach dem Eingriff dienlich. Das absterbende oder schon abgestorbene Gewebematerial muss aus dem Wurzelkanal entfernt werden, sonst ist keine Heilung möglich.
Schmerzen durch einen entzündeten Nerv
Hat sich der Nerv eines Zahns durch eine genügend starke Irritation (z.B. tiefe Karies) entzündet, spricht man von einer Pulpitis. Ein hoher Schmerz geht mit dieser Erkrankung einher. Der Zahnarzt muss prüfen, ob die Pulpitis reversibel oder irreversibel ist, sprich, ob diese wieder weggehen wird oder nicht. Zähne, die eine Pulpitis aufweisen, sind im Vitalitätstest positiv, das bedeutet, die Zähne reagieren auf Kälte.
Eine Pulpitis kann mehrere Ursachen haben:
- Infektiöse Pulpitis: dies ist die Häufigste Ursache. Hier ist die Entzündung des Nervs mit der Invasion von Bakterien (z.B. Karies) assoziiert
- Traumatische Pulpitis: durch Dentinsprünge, die z. B. bei einem Schlag auf einen Zahn entstehen können, kann eine Pulpitis ausgelöst werden
- Iatrogene Pulpitis: durch die zahnärztliche Tätigkeit an vitalen Zähnen können Irritationen an der Pulpa ausgelöst werden. Zu nennen ist hier vor allem das Übertrocknen eines Zahnes oder das Erhitzen eines Zahnes, was bei Bohren ohne Wasserkühlung vorkommen kann. Hieraus können Entzündungsreaktionen in der Pulpa resultieren, die aber meist reversibel sind.
Stellt Ihr Zahnarzt die Diagnose, dass es sich um ein reversibles Geschehen handelt, er also davon ausgeht, dass sich der Nerv wieder erholen wird, ist meistens Geduld angesagt. Durch gewisse Lacke und Fluide versucht man den Zahn zu beruhigen. In diesen Fällen ist die Schmerzdauer mit der Reizdauer identisch. Wenn der Zahnarzt mit einem Kalten Wattekügelchen an den Zahn geht, schmerzt es, aber es hört auch sofort wieder auf, wenn das Wattekügelchen den Zahn nicht mehr berührt.
Bei einer irreversiblen Pulpitis muss die Wurzelkanalbehandlung eingeleitet werden. Klassischerweise reagieren Patienten bei einer irreversiblen Pulpitis extrem auf einen warmen Reiz. Typische Zeichen: Die Patienten trinken Kaltes gegen den Schmerz. Nicht selten kommen Patienten, die an einer irreversiblen Pulpitis erkrankt sind mit einer kalten Wasserflasche zum Zahnarzt oder Notdienst, weil die Kälte den Schmerz lindert. Generell gilt für Diagnostik einer irreversiblen Pulpitis, dass im Gegensatz zur reversiblen Pulpitis der Schmerz den Reiz überdauert. Die Schmerzdauer übersteigt die Reizdauer. Die Wurzelkanalbehandlung muss umgehend eingeleitet werden. Meist tritt schon nach der ersten Behandlung eine deutliche Schmerzlinderung ein.
Zahnschmerzen durch einen toten Zahn
Wenn der Zahnnerv abgestorben ist, spricht man von einer Pulpanekrose. Zellen in der Pulpa sind teilweise oder vollkommen abgestorben. Dieser Prozess kann völlig schmerzfrei vor sich gehen und der Zahnarzt sieht per Zufall bei einer Röntgenkontrolle die Wurzelspitzenentzündung. Es kann aber jederzeit zu einer Schwellung und zu Schmerzen kommen. Die Entzündung „schläft“ momentan, sie ist chronisch. Jederzeit kann eine Wurzelspitzenentzündung vom chronischen Zustand (schlafenden Zustand) in den chronisch akuten Zustand (aktiver Zustand) übergehen und Beschwerden verursachen.
Der schmerzhafte Pulpentod ist meist mit Bakterien assoziiert. Das Gewebe verflüssigt sich. Der Zahnarzt muss den Zahn eröffnen (trepanieren), um das abgestorbene Gewebe im Kanallumen entfernen zu können. Es gibt keine andere Therapie als die Säuberung des Wurzelkanalsystems von allen Geweberesten mit der anschließenden Desinfektion des Wurzelkanals mit unterschiedlichen Spüllösungen, da die Immunabwehr des Körpers das Wurzelkanallumen nicht erreichen kann. Mehr Informationen finden Sie hier unter Therapie – Wurzelkanalbehandlung. Häufig riechen diese Zähne sehr unangenehm. Selbst als Patient steigt einem der sehr unangenehme Geruch des Zahns in die Nase, sobald der Zahnarzt mit der Behandlung des Wurzelkanals begonnen hat. Dass das Kanallumen gereinigt werden muss, ist jedem Patienten klar, der jemals diesen Geruch wahrgenommen hat. | |
Am Zahn 35 apikale Parodontitis (Wurzelspitzenentzündung), sichtbar durch den dunklen „Heiligenschein“ an der Wurzelspitze. Der Knochendefekt wird durch Bakterien im Wurzelkanal verursacht und heilt nach erfolgreicher Elimination der Bakterien aus dem Wurzelkanalsystem in der Regel wieder ab. |
Meist ist der Schmerz nach der ersten Behandlung schon deutlich besser. Wichtig zu wissen: Die körpereigene Immunabwehr arbeitet nur bis zur Wurzelspitze. In den Wurzelkanal kann sie nicht vordringen. Die Bakterien können hier weiter ihr Unwesen treiben. Für die Bakterien herrscht im Wurzelkanal „geschlossene Gesellschaft“ bis Ihr Zahnarzt, das Kanallumen mechanisch (Instrumente) und chemisch (Spüllösungen) reinigt.
Zahnschmerzen mit Abszess
Eine akut eitrige Entzündung in Zusammenhang mit einem bakteriell besiedelten Wurzelkanal entsteht dann, wenn die im Wurzelkanal vorhandene bakterielle Flora besonders pathogen (schadenerzeugend) oder die körpereigene Immunabwehr sehr reduziert ist. Diese akut eitrige Entzündung ist in der Regel sehr schmerzhaft und entsteht auf Grund von abgestorbenen Gewebe und abgestorbenen verflüssigten Zellen. Abszesse an der Wurzelspitze, werden durch die Invasion („hineingehen“) von Bakterien aus dem Wurzelkanalsystem in den Kieferknochen verursacht. Bei einer einer Wurzelspitzenentzündung sind keine Bakterien im Kieferknochen zu finden. Die entzündete Wurzelspitze ist als Reaktion des Körpers auf die Bakterien im Wurzelkanalsystem zu sehen und wird bei erfolgreicher Elimination (Entfernung) der Bakterien aus dem Wurzelkanalsystem im Rahmen einer Wurzelkanalbehandlung in der Regel auch wieder ausheilen.
Ein Abzess geht meist mit einem Anschwellen der betroffenen Region im Mund einher. Das Allgemeinbefinden ist unter Umständen sehr eingeschränkt. Es muss sofort ein Zahnarzt aufgesucht werden. Bei Schüttelforst, Fieber oder Schluckbeschwerden muss auch der Notdienst zu Rate gezogen werden, sollte Ihr Zahnarzt gerade nicht verfügbar sein.
Bildet sich eine Fistel, ein kleiner Ausführungsgang zwischen Abszess und Mundhöhle, kommt es in der Regel nicht zu Schmerzen, da der Eiter sich nicht anstaut und über die Fistel ablaufen kann. Die Fistel und der Knochendefekt heilen nach Beseitigung der Ursache, die bakterielle Besiedelung des Wurzelkanals, meist schmerzfrei und komplikationslos aus.
Schmerzen nach Wurzelkanalbehandlung
Schmerzt ein Zahn direkt nach einer Wurzelkanalbehandlung, ist das kein Grund zur Sorge. In den meisten Fällen geben sich Druckschmerzen oder pochende Schmerzen nach spätestens einer Woche. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen Sie sich unbedingt erneut bei Ihrem Zahnarzt vorstellen. Somit ist die Wurzelkanalbehandlung möglicherweise nicht der letzte Therapieschritt des betroffenen Zahns.
Schmerzen können aber auch nach Monaten oder Jahren nach einer Wurzelkanalbehandlung wieder auftreten. Entweder klagt der Patient über Schmerzen, oder dem Zahnarzt fällt bei einer der standardisierten Röntgenkontrollen auf, dass die Entzündung im Knochen (apikale Parodontitis) nicht ausgeheilt ist, oder sich sogar vergrößert hat. Auch hier liegt die Begründung im Arretieren (Verbleiben) von Bakterien im Wurzelkanalsystem. Die damit verbundene Mikroflora im Wurzelkanal bildet Antigene und Toxine, die über den Apex (Foramen apicale, Einfluss von Gefäßen und Nervengewebe in den Zahn) in den Knochen gelangen und dort eine Abwehrreaktion hervorrufen. Wichtig zu wissen ist, dass die körpereigene Immunabwehr die Bakterien im Wurzelkanal nicht erreichen kann. So führen weder die körpereigene Immunabwehr noch Antibiotika zum Ausheilen der Entzündung im Kieferknochen. Mögliche Therapieschritte sind nun eine Revision (siehe Therapie Wurzelkanalbehandlung), eine Wurzelspitzenresektion oder die Extraktion (Entfernung) des Zahns.
Schmerztabletten bei einer Wurzelkanalbehandlung
In der Regel ist das Schmerzmittel der Wahl bei Zahnschmerzen Ibuprofen soweit keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen. Auch bei Zahnschmerzen während oder nach einer Wurzelkanalbehandlung ist Ibuprofen für das Schmerzmanagement zu empfehlen. Von ASS (Acetlysalicylsäure), oft bekannt als Aspirin, ist abzusehen, da der Wirkstoff Acetylsalicylsäure die Blutgerinnung unumkehrbar hemmt. Im Falle eines zahnärztlich chirurgischen Schnittes, z.B. bei einer Abszessspaltung, wird es länger bluten. Aspirin hat im Gegensatz zu Ibuprofen mehr Nachteile als Vorteile in der Therapie gegen Zahnschmerzen.