Entzündung des Zahnhalteapparates
Die Parodontitis ist die Entzündung des Zahnhalteapparates. Der Zahnhalteapparat (=Parodontium) verankert den Zahn im Knochen. Der Zahn ist keineswegs im Knochen eingewachsen, sondern durch dünne Fasern (=Desmodont) im Knochen „aufgehängt“.
Von einer Parodontits spricht man, wenn nicht nur das Zahnfleisch (Gingivia) entzündet ist, sondern auch der Knochen und die Fasern (das Desmodont), die den Zahn umschließen. Diese Entzündung kann langfristig mit dem Verlust von Knochen und Fasern einhergehen. Somit verlieren die Zähne ihren Halt. Es kommt zur Bildung einer subgingivalen (unter dem Zahnfleisch gelegenen) Tasche. Die Zahnwurzeloberflächen sind mit einem schwer entfernbaren Biofilm besiedelt, der aus parodontalpathogenen Bakterien besteht. Diese Bakterien sowie die Immunantwort des Betroffenen auf die Bakterien sind für die entzündliche Destruktion (Zerstörung) des Zahnhalteapparates verantwortlich. Risikofaktoren wie Rauchen oder Stress sowie eine mangelnde Mundhygiene gelten als bedeutender initialer Faktor bei der Entstehung der Parodontitis.
Parodontose
Wenn im Volksmund von Parodontose gesprochen wird, ist meistens die Parodontitis marginalis gemeint. Die Silbe „-itis“ steht immer für ein entzündliches Geschehen. Die umgangssprachliche Gleichsetzung der Begriffe von Parodontitis und Zahnfleischentzündung ist nicht korrekt. Eine auf das Zahnfleisch beschränkte Entzündung wird als Gingivitis bezeichnen. Der Zahnhalteapparat ist bei einer Gingivitis noch nicht entzündlich angegriffen. Die Entzündung des Zahnhalteapparates mit Knochenabbau wird als Parodontitis bezeichnet. Sowohl die Parodontitis als auch die Gingivitis ist ein bakteriell induziertes Entzündungsgeschehen, das es zu behandeln gilt. Bei der Parodontitis geht man von einem destruktiven Geschehen aus, während die Gingivitis meist nicht-destruktive Eigenschaften aufweist.
Parodontitis – Was kann ich tun?
Die regelmäßige Kontrolle beim Zahnharzt sowie die professionelle Zahnreinigung stellen wichtige Pfeiler zur Prävention und im Kampf gegen die Parodontitis dar. Eine akribische tägliche Mundhygiene, die vor allem auch die Reinigung der Zahnzwischenräume beinhaltet, ist unerlässlich. Risikofaktoren für eine Parodontitis sollten ausgeschaltet werden. Vor allem Raucher sollten sich gut im Rahmen der Raucherentwöhnung beraten lassen. Mundspüllösungen können unterstützend wirken, ersetzen aber nicht die tägliche mechanische Reinigung der Zähne mit der Zahnbürste. Chlorhexidin ist der Wirkstoff in Mundspüllösungen, der am effektivsten gegen parodontalpathogene Keime wirkt. Mit Chlorhexidin sollte aber nur therapiebegleitend gespült werden. Für die dauerhafte Anwendung ist Chlorhexidin nicht geeignet. Ölziehen stellt eine weitere Alternative dar Bakterien aus der Mundhöhle zu eliminieren dar. Bakterien werden im Öl gebunden und können so förmlich aus der Mundhöhle gespuckt werden.
Parodontitis marginalis und apicalis
Die Parodontitis marginalis (Entzündung des Zahnhalteaparates) muss von der Parodontitis apicalis (Wurzelspitzenentzündung) unterschieden werden. Das Pulpagewebe ist durch das Foramen apicale (Austrittspunkt des Zahnnervs vom Knochen in den Nerv) mit dem Parodont (=Zahnhalteapparat) verbunden. Kommt es zum bakteriellen Befall des Wurzelkanalsystems, z.B. durch eine tiefe Karies, ist die Reaktion im Knochen eine Wurzelspitzenentzündung. Der Fachbegriff hierfür lautet Parodontitis apicalis. Die Ursache für eine Parodontitis apicalis sind Bakterien im Wurzelkanalsystem. Bei einer adäquaten Wurzelkanalbehandlung kann die Parodontitis apicalis ausheilen und stellt die Therapie der Wahl dar. Bei einer Parodontitis marginalis befinden sich die Bakterien im Parodontalspalt. Die Therapie der Wahl ist die Parodontitisbehandlung. Hierbei ist das Ziel, die im Biofilm organisierten Bakterien aus dem Parodontalspalt (= Tasche) zu eliminieren.
Zahnfleischentzündung
Bilden sich im Sinne einer Parodontitis Desmondont und Knochen zurück entsteht eine „Tasche“. Diese Tasche ist ein nicht-physiologischer Raum, sprich, er ist von der Natur nicht vorgesehen.
Auslöser für die Erkrankung Parodontitis sind Bakterien. Diese kommen im Zahnbelag, der sogenannten Plaque, vor. Wird die Plaque nicht entfernt können sich Bakterien vermehren. Eine Entzündung des Zahnfleisches entsteht. In diesem Stadium ist das Zahnfleisch gerötet, geschwollen und es blutet beim Zähneputzen. Man spricht von einer Gingivitis. Eine Gingivitis ist eine Entzündung, die sich nur auf das Zahnfleisch beschränkt, also noch nicht auf den Zahnhalteapparat übergegriffen hat und in der Regel bei Elimination der Beläge reversibel ist. Dies bedeutet, dass nach dem Entfernen aller Beläge im Rahmen einer professionellen Zahnreinigung die Gingivitis zum Stillstand kommt. Die Stabilität der Zähne ist bei einer Gingivitis noch nicht gefährdet. Allerdings kann sich aus der Gingivitis eine Parodontitis bilden, wenn keine Behandlung erfolgt. Die Gingivitis stellt jedoch selten die Vorstufe der Parodontitis dar.
Chronische Parodontitis
Bei einer Parodontitis spricht man von einem destruktiven Geschehen. Während bei einer Gingivitis die Entzündung auf das Zahnfleisch beschränkt ist, wird bei der Parodontitis Kochen und das Peridontalligament angegriffen. Das Zahnfleisch ist bei der Parodontitis zusätzlich zur Taschenbildung (> 3,5 mm) rötlich geschwollen und blutet bei Sondierung. Es fühlt sich „wund“ an. Patienten klagen häufig in Zusammenhang mit einer Parodontitis über einen schlechten Geschmack im Mund. Eine Parodontitis kann auch die Ursache für Mundgeruch (Synonym: Halitosis) sein.
Bakterien als Ursache für die Parodontitis
Unbehandelt bauen sich bei einer Parodontitis der Kieferknochen und der Zahnhalteapparat immer weiter ab. Im schlimmsten Fall verlieren die Zähne Ihren Halt im Knochen und fangen an zu wackeln. Die Bakterien leben nicht alleine (planktonische Kulturen), sondern sind im sogenannten Biofilm organisiert. Diese im Biofilm strukturieren Bakterien sind sehr viel schwerer zu eliminieren als Bakterien, die sich nicht in einem Biofilm organisiert haben. Der Biofilm stellt einen schwer zerstörbaren Verbund dar, wodurch die einzelnen Erreger in ihrer Pathogenität (Schaden erzeugend) erhöht werden. Bakterien sondern Endotoxine und andere Substanzen aus dem Biofilm in das umliegende Gewebe ab. So wird die Entzündungsreaktion ausgelöst. Die Entzündungsreaktion ist für den Abbau und die Zerstörung des Zahnhalteapparates notwendig. Diese Abwehrreaktion des Körpers ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Eine Parodontitis Behandlung wird notwendig, um die Entzündung zu beherrschen und somit den Verlust von Knochen und Desmodont zu stoppen. Dies gelingt vor allem durch die Elimination der Bakterienzahl in den „Taschen“.
Folgende Bakterien sind sehr aggressiv (pathogen):
- Actinobacillus actinomycetemcomitans
- Porphyromonas gingivales
- Tanerella forsythensis
- Treponema denticola
- Prevotella intermedia
Jeder Patient weist eine sehr individuelle subgingivale Bakterienflora auf. Dies bedeutet, dass bei jedem Patienten unter dem Zahnfleisch (in der Tasche), andere Bakterien vorkommen. Wird diese Bakterienflora mikrobiologisch untersucht, spricht man von einer Markerkeimanalyse.
Mundhygiene und Immunabwehr bei Patienten mit Parodontitis
Die Mundhygiene spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung oder Therapie einer Parodontitis, aber auch andere Risikofaktoren wie Rauchen oder Stress dürfen nicht unterschätzt werden. Das Entstehen und der Verlauf einer Parodontitis wird aber maßgeblich von dem Vorhandensein verschiedener Bakterien und der Wirtsreaktion bestimmt. Unter der Wirtsreaktion versteht man die Reaktion des Immunsystems des Organismus auf das Vorhandensein von Bakterien. Der Körper reagiert auf die Anwesenheit von Krankheitserregern oft mit starken Abwehrreaktionen, die sich nicht mehr nur gegen die Bakterien richten, sondern auch gegen körpereigene Strukturen. Diese Abwehrreaktion ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Generell ist festzuhalten, dass die Bakterien zwar eine Reihe von Substanzen produzieren, die den Zahnhalteapparat schädigen, ein Großteil der Zerstörung des Parodontiums jedoch durch entzündliche und Immunreaktionen des Wirtes hervorgerufen wird. So kann auf die bakterielle Besiedelung mit einer allgemein oder lokal überschießenden, verminderten oder inadäquaten Reaktion vom Körper geantwortet werden. Diese unterschiedlich genetisch festgelegte Immunkompetenz ist eine mögliche Begründung, warum manche Patienten an einer Parodontitis erkranken und manche nicht.
Risikofaktoren für die Entstehung der Parodontitis
Generell wird das Risiko für eine Parodontitis durch eine HIV Infektion oder Diabetes mellitus (Typ I und II) erhöht. Aber auch Stress und Tabakkonsum erhöhen das Risiko an einer Parodontitis zu erkranken. Erhöhte Plaquewerte oder der unregelmäßige Besuch bei der professionellen Zahnreinigung stellen ebenfalls Risikofaktoren dar. Diesen Risikofaktoren sind noch die genetischen Faktoren hinzuzufügen. Es wird vermutet, dass ein geringer Teil der Bevölkerung (10%) auf Bakterien mit einer genetisch determinierten hyperaktiven Wirtsantwort (siehe oben) reagiert und somit ein erhöhtes Risiko für mehrere chronische Erkrankungen (einschließlich der Parodontitis) aufweist.
Auswirkungen einer Parodontitis auf den Gesamtorganismus
Generell soll festgehalten werden, dass eine chronische Parodontitis zum einen weh tut, aber auch in der chronischen oft schmerzfreien Phase unbedingt behandlungsbedürftig ist. Die Parodontitis stellt eine ausgeprägte Entzündung dar, die für den Körper und dessen Immunabwehr eine große Belastung ist. Die Hain Lifescience GmbH vergleicht eine mittelschwere Erkrankung in einem vollbezahnten Gebiss mit einer handtellergroßen Wunde. Eine solche Wunde würde sicher auch niemand unbehandelt lassen.
Desweitern sollte nicht vergessen werden, dass die Parodontitis nicht nur auf den Mund beschränkt ist. Es wird diskutiert, ob eine Parodontitis das Risiko für Frühgeburten erhöht.
Eine Assoziation zwischen Parodontitis und Herz-Kreislauferkrankungen besteht ebenfalls. Im Mittelpunkt dieses Zusammenhangs steht die Arteriosklerose (auch: Atherosklerose), die sich im Wesentlichen durch entzündliche Reaktionen der Gefäßwände auszeichnet. Orale Keime können direkt an den Gefäßwänden negativ wirken oder systemische Entzündungsprozesse initiieren und/oder verstärken.
Auch auf einen Diabetes wirkt sich eine Parodontitis negativ aus. In Studien konnte festgestellt werden, dass bei Patienten, die an einer Parodontitis leiden, der Blutzucker schlechter eingestellt werden kann. Da ein bereits bestehender Diabetes (Typ I und II) auch das Risiko erhöht an einer Parodontitis zu erkranken, wird die Beziehung von Diabetes und Parodontitis als bidirektional beschrieben. Die Krankheiten beeinflussen sich gegenseitig.
Zahnschmerzen durch einen Parodontalbszess
Ein Abszess wird immer nach seiner Lokalisation (wo ist er? bzw. von welchem Gewebe geht er aus?) beschrieben. Der Parodontalabszess ist somit mit dem Zahnhalteapparat (Parodontium) assoziiert und könnte folglich auch als Abszess des Zahnhalteapparates bezeichnet werden.
Grundsätzlich wird mit einem Abszess eine Eitersammlung in einer nicht vorgeformten Körperhöhle beschrieben. Diese Eiteransammlung ist von einer Membran umgeben.
Typische Zeichen für einen Parodontalabszess sind:
- Schwellung
- Schmerz
- Farbänderung
- Zahnbeweglichkeit
- Zahnextrusion (Zahn wird aus dem Zahnfach herausgedrückt)
- Fieber
- Lymphadenitis (angeschwollene Lymphknoten)
- Radiographische Aufhellung der erkrankten Region (im Röntgenbild ist diese Region dunkler abgebildet)
Bei einem Parodontalabszess ist das betroffene Parodont meist geschwollen und zeichnet sich durch ein hohes Berührungsempfinden aus. Die Ursache kann meist in einer tiefen und infizierten Zahnfleischtasche begründet sein. Ebenfalls steht die Zunahme von sehr virulenten Bakterien in Zusammenhang mit einem Parodontalabzess. Hier sind P. gingivales, P. intermedia, F. nucleatum, B. forsythus zu nennen.
Der Zahn wird meist als etwas zu lang wahrgenommen, da er durch die Entzündung aus dem Zahnfach herausgehoben wird. Aber auch der horizontale Klopfschmerz ist typisch für den Parodontalbszess. Die Zerstörung des Zahnhalteaparates ist in Form von „Taschen“ im Bereich des betroffenen Zahns bzw. Parodontium messbar. Ausgeprägte parodontale Defekte können röntgenologisch dargestellt werden. Um den Parodontalabzess von einer apikalen Parodontitis (entzündete Wurzelspitze) diagnostisch zu unterscheiden, ist die Vitalitätsprobe des Zahns aussagekräftig. Der behandelnde Zahnarzt wird testen, ob der Zahn auf Kälte reagiert. Bei einem Parodontalabzess ist die Vitalitätsprobe in der Regel positiv.
Verhalten bei einer dicken Backe
Bei jeder Art von Schwellung in der Mundhöhle gilt es unverzüglich einen Zahnarzt oder den zahnärztlichen Notdienst aufzusuchen. Das Schmerzmittel der Wahl ist Ibuprofen. Von Aspirin ist wegen der blutverdünnenden Wirkung abzusehen, da sich eine Blutung im Falle der Abszessspaltung schlechter stoppen lässt. Generell kann bei einer Schwellung die betroffene Stelle gekühlt werden. Mundspüllösungen wie Chlorhexidin können die Mundhöhle zwar desinfizieren, haben aber in der Regel keine Auswirkung auf das Abszessgeschehen.
Paro-Endo-Läsion
Trifft das Krankheitsbild Parodontitis auf den Themenkomplex Wurzelkanalbehandlung (Endodontie) spricht man von einer Paro-Endo-Läsion. Bei dem Zusammentreffen von zwei Krankheitsbildern stellt sich immer die Frage, welches Krankheitsbild zuerst da war. Es muss untersucht werden, ob es sich um ein primär parodontales oder endodontisches Geschehen handelt. Die Antwort findet sich hier in der gesamten Anamnese (Untersuchung) des Mundes des Patienten. Hat ein Patient eine ausgeprägte Parodontitis ist die Entzündung des Zahnhalteapparates möglicherweise als primäres Entzündungsgeschehen zu sehen. Durch eine tiefe Tasche können Bakterien bis an die Wurzelspitze gelangen und anschließend durch das Foramen apicale in den Zahn eindringen und eine Pulpitis auslösen. Man spricht von einer retrograden Pulpitis. Ist die Tasche sehr tief oder gar der Knochen schon sehr weit abgebaut, ist die Prognose für den Zahn nicht sehr erfolgsversprechend.
Umgekehrt ist bei einer Mundhöhle, die keinerlei Taschen bis auf den einen Zahn aufweist, wahrscheinlich nicht von einem primär parodontalen Geschehen auszugehen. Vielmehr geht man von einem abgestorbenen Zahn mit einer apikalen Parodontitis (siehe oben) aus. Die Infektion hat sich bei einer Paro-Endo-Läsion über den Parodontalspalt ausgeweitet. Der Zahn reagiert nicht mehr auf Kälte. Die Therapie der Wahl stellt nun eine Wurzelkanalbehandlung dar. Nach 3 -6 Monaten wird der Zahn geröntgt, um zu kontrollieren, ob die Entzündung im Knochen ausgeheilt ist. Bei erfolgreicher Behandlung heilt das Parodontium nach Wurzelkanalbehandlung aus. Dies bedeutet, dass der Zahnarzt bei der Kontrolle des Zahnfleisches keine Sondierungstiefen mehr messen kann. Der Zahn weist somit keine Tasche mehr auf. Die Therapie ist dann als erfolgreich zu beschreiben.
Quellen:
Gängler, Konservierende Zahnheilkunde, Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2005
Müller, Parodontologie, Georg Thieme Verlag, 2001
Kebschull, Parodontitis und Allgemeinerkrankungen, Quintessenz 2012;63(9):1209-1213
Liebaug, Wu, Gegen marginale Parodontitis: Kombinationsbehandlung mit Chlorhexidin und Laserlicht, ZMK, Jg. 27, September 2011
Pretzl, Meer-Bäumer, Prognostische Einschätzung von Zähnen, Quintessenz 2012;63(9):1139-1145